„Verbundene Vielfalt – Innovation und Tradition in der Nachbarschaftsarbeit“
Vorwort
Mich fasziniert immer wieder wie groß die Kontinuitäten der Nachbarschaftsarbeit sind und das damit nicht etwa Stillstand sondern stetige Innovation einhergeht. Die Methoden, Kompetenzen und Haltungen der Mitarbeiter*innen tragen über die Jahrzehnte hinweg dazu bei, Lebensbedingungen so zu gestalten, dass Menschen entsprechend ihrer Bedürfnisse im Stadtteil zufrieden(er) leben können.
Daher werden in diesem Rundbrief Stadtteilarbeit Menschen vorgestellt, die mit ihren Ideen und Tätigkeiten für die Nachbarschaftsarbeit ihrer Zeit typisch waren. Sie werden als Einzelne vorgestellt, doch haben sie nie alleine gewirkt, waren sie immer mit anderen gemeinsam aktiv. Eine Leerstelle hat das historische Gedächtnis der Nachbarschaftsarbeit jedoch noch. Die professionellen Nachbarschaftsaktivitäten und Ansätzen von Gemeinwesenarbeit zu Zeiten der DDR fehlen.
Seit mehr als 150 Jahren fördert Nachbarschaftsarbeit weltweit Begegnung, Gemeinschaft und Selbsthilfe vor Ort. Schon die Pionierinnen und Pioniere dieser Form zu arbeiten wollten Demokratie, Toleranz und Vielfalt stärken, Partizipation und bürgerschaftliches Engagement fördern. Der Ansatz milieu- und generationenübergreifend zu arbeiten, hat es damals und heute ermöglicht Themen aufzugreifen und Aktivitäten zu organisieren, die gleichzeitig nachhaltig und innovativ sind. Das zeigen auch die hier zusammen getragenen Praxiseinblicke in die großen Handlungsfelder. Die Einblicke können natürlich nicht abschließend und vollständig sein, beschreiben aber die aktuellen Schwerpunkte.
Der Rundbrief Stadtteilarbeit erscheint in einer Zeit, in der alle Nachbarschaftshäuser für die Nachbar*innen geschlossen sind. Die gebotenen Abstandsregeln und Kontaktverbote, die die Ausbreitung des Corona Virus verlangsamen, verhindern das vor Ort in den Häusern Angebote und Aktivitäten, Begegnung und Austausch stattfindet.
Und wieder zeigt Nachbarschaftsarbeit ihre Wandlungs- und Innovationsfähigkeit. Angebote der Nachbarschaftshäuser werden in den digitalen Raum verlegt, die Kontakte mit freiwilligen Mitarbeiter*innen, Teilnehmer*innen und Besucher*innen brechen nicht ab, sondern finden neue Formen – sei es digital oder am Telefon, über den Gartenzaun, per Post oder mit Kreativtüten und –boxen, die verteilt werden. Engagement in der Nachbarschaft wird koordiniert und Beratungen mit dem gebotenen Abstand weiter angeboten. Dabei gilt das Augenmerk auch und vor allem den Menschen, die ganz besonders unter den Einschränkungen leiden: Alte und kranke Menschen, alleinstehende und einsame oder psychisch kranke Menschen, Menschen mit Handicap, Frauen und Kinder in prekären Wohnsituationen.
Der Bedarf zu reden und zu zuhören ist groß, die Bereitschaft zu Helfen ebenso. Spannend bleibt wie diese herausfordernde Zeit Nachbarschaften und unsere Arbeit verändern wird. Aber Nachbarschaftshäuser werden wie in der Vergangenheit auch weiterhin Nachbar*innen Möglichkeiten für Mitwirkung und Gestaltung, für das Engagement in überschaubaren Räumen bieten und damit einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Entwicklung und einer solidarischen, vielfältigen Gemeinschaft leisten.
Herzliche Grüße und bleibt gesund!
Barbara Rehbehn, Geschäftsführerin des VskA // Fachverband der Nachbarschaftsarbeit